Interview Waste Free Oceans

Interview mit Letitia Floria Kommunikationsmanagerin von „Waste Free Oceans“.  

Was ist das Hauptziel von "Waste Free Oceans"? Was macht Eure NGO besonders und wann wurde sie gegründet? 

Das Hauptziel von Waste Free Oceans ist es, die globalen Auswirkungen der Meeresverschmutzung zu reduzieren. Durch die Mobilisierung von Fischereien, Recyclern, Herstellern und politischen Entscheidungsträgern zielt WFO darauf ab, Meeresabfälle zu reduzieren, zu recyceln, wiederaufzubereiten und letztendlich wiederzuverwenden, um so die Auswirkungen auf die Umwelt und die natürlichen Ressourcen zu mildern. Zu den Hauptaufgaben der WFO gehören die Durchführung von Säuberungsaktionen im Wasser und am Strand sowie die Unterstützung der Politik. Außerdem wird angestrebt, das gesammelte Plastik kreislaufwirtschaftlich durch die Zusammenarbeit mit ausgewählten Partnern in neue und innovative Produkte umzuwandeln. Waste Free Oceans wurde 2011 als Initiative der europäischen Kunststoffindustrie gegründet, um der wachsenden Sorge über die Verschmutzung unserer Gewässer entgegenzuwirken. Inzwischen hat sich WFO zu einer unabhängigen, weltweit operierenden Organisation entwickelt, die durch öffentliche Spenden, Projektkooperationen und Unternehmenspartnerschaften finanziert wird. 

Warum ist die Wasserverschmutzung ein so wichtiges Thema für uns alle? 

Die Auswirkungen von Kunststoff auf unser Meeresökosystem sind eindeutig: Wir alle haben Bilder und Videos von Schildkröten und Delfinen gesehen, die sich in weggeworfenen Fischernetzen und Plastikverpackungen verfangen haben – dies kann zu Verletzungen, Strangulierung und im schlimmsten Fall sogar zum Tod der Lebewesen führen. Darüber hinaus können bestimmte Kunststoffe schädliche Chemikalien wie Flammschutzmittel, Bisphenol A (BPA) und Phthalate enthalten, die sich bereits in geringer Dosis als potentielle Karzinogene (Substanzen, von denen eine krebserzeugende Wirkung ausgeht) erwiesen haben. Wenn sie sich durch die Lebensmittelkette arbeiten, schaden sie schließlich auch den Verbrauchern selbst – also uns Menschen. Es ist klar, dass die Menge an Kunststoff, die in unsere Ozeane gelangt, reduziert werden muss - ebenso wie die Ablagerungen, die heute in unseren Ozeanen vorhanden sind. Da immer mehr Kunststoffabfälle in unsere Umwelt gelangen, sollten diese zur Ressourcengewinnung genutzt werden, um daraus neue Kunststoffprodukte herzustellen. 

Sie arbeiten mit einem "Waste-to-Value"-System. Was bedeutet das? 

Anstatt weiterhin durch die Gewinnung natürlicher Ressourcen noch mehr Kunststoffprodukte herzustellen, arbeiten wir nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft und nutzen das, was heute schon in unseren Ozeanen verfügbar ist. Entsprechend kooperieren wir mit Unternehmen, die unsere klare Mission der intelligenten Nutzung unserer Ressourcen und des Umweltschutzes teilen. Der gesammelte Müll wird demnach weiterverarbeitet und an einen lokalen Recycler zur Sortierung, Reinigung und Umwandlung in Polymerpellets weitergeleitet. Im Anschluss wird das Kunststoffgranulat mit anderen Polymeren kombiniert, um am Ende ein neues, hochwertiges Produkt zu erzeugen. Unsere Partner entwickeln im Anschluss das Endprodukt und bringen es auf den Markt. 

Wie funktioniert Ihr "Trash Catcher"-System? 

Die Schleppnetze, die von einem ehemaligen Fischer entwickelt und patentiert wurden – dieser wurde von der französischen Regierung für seine Arbeit bei der Beseitigung von Ölverschmutzungen auch von der Legion D'Honneur ausgezeichnet – werden von zahlreichen Regierungen erfolgreich als das führende Instrument zur Bekämpfung schwerer Verschmutzungen in Gewässern eingesetzt. Der "Trash Catcher" kann entweder mit Booten unterschiedlicher Größe geschleppt werden oder, wenn es sich bei dem Gewässer um einen Fluss handelt, statisch im Gewässer platziert werden. Alle lokalen Partner werden entsprechend in der Handhabung des Netzes geschult. Das Schleppnetz kann bei Wellen von bis zu 1,2 Metern eingesetzt werden. Dank seiner Flexibilität und seines starken Auftriebs kann es sich perfekt an die Meeresoberfläche anpassen. Boote mit einer Länge von 8-9 Metern können die Schleppnetze sogar bis zur dritten Stufe der Beaufortskala navigieren. 

Wie stellen Sie sicher, dass keine Schäden für Flora und Fauna entstehen? 

Bei der Entwicklung des "Trash Catcher" wurde darauf geachtet, dass nur „schwimmende Streu“ von der Wasseroberfläche gefischt wird und so das Ausmaß, in dem die Wasserfauna beeinträchtigt werden kann, minimiert wird. Entsprechend dringt das Schleppnetz nur 70 cm in die Wassersäule ein (der Rest wird über der Wasserlinie gestützt). Darüber hinaus arbeiten die Fischereifahrzeuge, die die Schleppnetze betreiben, mit sehr langsamen Geschwindigkeiten von durchschnittlich 6 Knoten pro Stunde. 

Welche Art von Kunststoff ist am wertvollsten für die Wiederverwendung? 

Fischfanggeräte (wie beispielsweise Fischernetze) machen einen großen Teil der in den Gewässern anfallenden Abfälle aus und können dank ihres Materials zu besonders hochwertigen recycelten Rohstoffen verarbeitet werden, die für verschiedene Anwendungen geeignet sind. 

Was ist der nächste Schritt nach der Sammlung des „Ocean Plastics“? Wie viel Kunststoff muss in der Regel aussortiert werden? 

Die gesammelten Kunststoffe werden dann an die Verarbeiter weitergegeben, die den Abfall recyceln und zu nachhaltigen Produkten verarbeiten. Die Kosten dafür werden von den Partnerunternehmen oder Verarbeitern getragen, um so ein klares Signal für den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen zu setzen. So wurde beispielsweise zusammen mit dem Waschmittelhersteller Ecover Meereskunststoff des portugiesischen Verarbeiters Logoplaste verarbeitet und in eine neue Flasche verwandelt. Heutzutage zeigen vor allem Unternehmen, die viel Verpackung verwenden, ein zunehmendes Interesse an der Verwendung von recyceltem Material – eine gut informierte und umweltbewusste Kundschaft spielt hierbei sicherlich auch eine Rolle. 

Mit welchen Partnern arbeiten Sie zusammen? 

Waste Free Oceans vereint Fischereien, die Kunststoffindustrie und die Verarbeiter mit dem Ziel, Kunststoffabfälle im Meer zu reduzieren und zugleich für neue Produkte wiederzuverwenden. Fischer sammeln so genannte "Geisternetze", Kunststoffflaschen und andere Kunststoffabfälle, Recycler sortieren und reinigen den Abfall, und Unternehmen recyceln den Rohstoff zu einem neuen Produkt. 

In welchen Ländern arbeitet Euer Netzwerk und wie werden sie ausgewählt? 

Das Netzwerk der WFO ist über ganz Europa sowie über Amerika, Asien und der Türkei verteilt. Die „Hotspots“, also Bereiche mit hoher Dichte an Meeresabfällen, werden dabei von unseren lokalen Partnern identifiziert. Zu den bisherigen Sammelstellen gehören beispielsweise Spanien, Portugal, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Zypern, Österreich, Ungarn, Dänemark, Bulgarien, die Türkei, Hongkong, Brasilien oder die Dominikanische Republik. Wir arbeiten diesbezüglich sehr eng mit den lokalen Fischern zusammen, da sie häufig das ganze Jahr über unterwegs sind und entsprechend einen guten Überblick über den Verschmutzungsgrad ihrer Region haben. Ihre Vertrautheit mit den örtlichen Wasserverhältnissen sowie ihre notwendigen technischen Kenntnisse und Werkzeuge machen sie zu unseren idealen Partnern. 

Über welche Fakten der Wasserverschmutzung sind Sie am meisten besorgt? 

Die Ellen MacArthur Stiftung hat darauf aufmerksam gemacht, dass jedes Jahr acht Millionen Tonnen Kunststoffabfälle in unsere Ozeane gelangen. Das entspricht einem Müllwagen, der seine Ladung pro Minute entsorgt. Wenn wir nichts unternehmen, wird es so laut Prognosen 2025 eine Tonne Kunststoff pro 3 Tonnen Fisch geben – und bis 2050 gäbe es entsprechend mehr Kunststoffabfälle als Fische in unseren Ozeanen. 

Welche Pläne hat Eure NGO für die Zukunft? 

Da insbesondere Flüsse die aus dem Binnenland in die Meere fließen zunehmend als Verursacher von Meeresstreu identifiziert werden - und die „top-ten“ Flüsse, 88 bis 95 Prozent der gesamten weltweiten Kunststofffracht in den Ozeanen ausmacht, möchten wir den Fokus in den kommenden zwei Jahren auf diesen Bereich legen. Im vergangenen Jahr haben wir die „Operation Castor“ in der Dominikanischen Republik mit dem Ziel gelauncht, Abfälle aus dem Ozama und Isabela zu sammeln und so die Flüsse von Verunreinigungen zu befreien. Heute sind wir kurz davor, ein regionales Kunststoff-Recyclingzentrum in der Dominikanischen Republik einzurichten. Wir wollen die lokale Bevölkerung aufklären und die beste Recyclingtechnologie der Welt in diese Region bringen. Zugleich planen wir, WFO-Notunterkünfte zu bauen, um auf das massive Wohnungsdefizit und die zukünftigen Hurrikane Bedrohungen zu reagieren. 

Was halten Sie von der Zusammenarbeit mit Start-ups wie uns? 

Wir schaffen die entscheidende Brücke zwischen Industrie und Umweltschutz – und das in einer Zeit, in der das Thema der erweiterten Herstellerverantwortung und Kreislaufwirtschaft immer mehr an Bedeutung gewinnt. Gleichzeitig muss das Problem von „Ocean Plastics“ aber auch durch eine verbesserte Abfallsammlung und -sortierung an Land angegangen werden. Deshalb begrüßen wir die Zusammenarbeit mit allen Unternehmen - ob groß oder klein, die es uns ermöglicht, nicht nur einen klaren Standpunkt gegen Kunststoffabfälle im Meer einzunehmen, sondern auch eine aktive Rolle bei deren Reduzierung zu spielen. 

Wie können Industrien, aber auch jeder einzelne von uns, dabei helfen, etwas zu verändern? Wie können wir einen echten Wandel herbeiführen? 

Es gibt verschiedene Ansätze, um das globale Problem anzugehen. Obwohl dabei insbesondere die Müllvermeidung im Vordergrund steht, können sich Markeninhaber und Unternehmen aber zugleich aktiv am Recycling von Abfällen und damit der Kreation neuer, nachhaltiger Produkte beteiligen. Die Wertschöpfungskette beginnt dabei mit der Sammlung auf See. Da das öffentliche Bewusstsein zunimmt, sind wir zuversichtlich, dass wir weltweit neue Partnerschaften aufbauen und zukünftig noch mehr praxisorientierte Maßnahmen ergreifen werden, um die Menge an „Ocean Plastics“ zu reduzieren. Mit dem wachsenden weltweiten Handlungsbedarf zur Bekämpfung von Plastikmüll und der zugleich kontinuierlichen Verschmutzung unserer Wasser-Ökosysteme zielen wir als Organisation darauf ab, an unserer Mission weiterzuarbeiten und zugleich unsere Betriebskapazität außerhalb Europas zu erhöhen. 

Welche Schlagzeile über Wasser möchtest du in Zukunft lesen? 

Sustainable Development Goal 6 (SDG) wurde erreicht. (Anm. d. Red: Das SDG ist eines von 17 Zielen, die 2015 von den Vereinten Nationen festgelegt wurden. Es fordert sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen für alle Menschen.) 

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